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Scotch & Baseball
(Eine Kurzgeschichte von Dennis Meier)
 

Es sah ganz so aus, als wäre es ihr ernst gewesen. Er hatte es immer auf die leichte Schulter genommen, es als Blödsinn oder leere Drohung abgetan. Umso mehr schockte es ihn, feststellen zu müssen, das ihm nur sein Sessel und das Telefon mit der seit Jahren kaputten Wählscheibe geblieben waren. Er erinnerte sich noch gut daran, so gut, als wäre es gestern gewesen, wie diese Wählscheibe ihren Geist aufgab. Aber er konnte nun weiß Gott nicht genug Konzentration und ruhe aufbringen um weiter an die finale Drehung der nun defekten Wählscheibe zu denken.

Vielmehr beschäftigte ihn die Frage, wie seine Frau es in nur zwei Stunden geschafft hatte, dass komplette Haus, bis auf den kleinsten Kaffeelöffel leer zu räumen und wie er ohne Fernseher das heutige Baseball-Spiel zwischen den Red Sox und den White Sox verfolgen sollte.

 

Die Tatsache, dass seine Frau weg war berührte ihn jedoch weniger, als die, dass der Fernseher ebenso fehlte. Dass ihn das nicht störte erschütterte ihn eigentlich nicht und er bemerkte, dass dieser Wesenszug schon länger ein Teil von ihm sein musste, denn sonst würde er wahrscheinlich mehr fühlen und vermutlich wäre auch seine Frau noch da. Sie wäre hier Zuhause, stände in der Küche und das ganze Haus würde nach Essen duften. Vielleicht nach ihrem göttlichen Backschinken, den sie immer mit der gleichen Marinade bestrich. Mit der Marinade, deren Rezept niemand außer ihr kannte. Er wusste lediglich, dass sie ihr etwas Honig und eine Prise Koriander beigab. Welch Verschwendung.

Er hatte den Geruch schon fast in der Nase, als er begriff, dass er diesen Schinken wohl nie mehr essen würde und das ihm all das mehr fehlen würde, als seine Frau selbst.

 

Er machte sich nicht mehr die Mühe, sich seiner Jacke zu entledigen und verließ das Haus um in die nächst beste Bar zu gehen. Vorzugsweise in eine der Bars, die Pay-TV hat und in der das Spiel ohne Werbeunterbrechung übertragen wird, eine der Bars in der ein gefühlskalter, gebrochener Mann noch einen letzten Scotch trinken kann, bevor ihn wieder der gewohnte Alltag überrollt und er vielleicht merkt, was ihm fehlt.

 
- Ende -


 
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